Die marianische „Wallfahrt für die Kirche“ in Tirschenreuth im Bistum Regensburg vereint mehr als 300 Jahre Tradition mit einer neuen Ausrichtung im Geist von Fatima
„Tirschenreuth soll eine Stadt Mariens werden“,
so lautete 1986 der Wunsch des damaligen Stadtpfarrers Georg Maria Witt. Heute kann man sagen: Sie ist es geworden. An jedem Monatsdreizehnten rufen die Glocken zur „Wallfahrt für die Kirche“, eine Messfeier mit vorangehendem Rosenkranzgebet und der Gelegenheit zum Empfang des Bußsakraments, mit der Aussetzung des Allerheiligsten und einer Lichterprozession. Die Besonderheit: Neben der Verehrung eines Gnadenbildes der Schmerzhaften Muttergottes, das auf das Jahr 1692 zurückgeht, steht die Wallfahrt seit Mitte der 1980er Jahre im Geiste Fatimas: eine neubelebte marianische Wallfahrt mit Tradition, durch die die Tirschenreuther Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt im Bistum Regensburg zum Anziehungspunkt für zahlreiche Pilger aus der gesamten Region geworden ist.
Aus einfachem Hafnerton ist das alte Tirschenreuther Gnadenbild gefertigt, das heute in einem Glasschrein auf dem Rokokoaltar in der Gnadenkapelle der Stadtpfarrkirche seinen Platz gefunden hat. 49 Zentimeter hoch und 36 Zentimeter breit ist es. Wer einen näheren Blick auf die Inschrift des Sockels wirft, der findet die Initialen „I. Z. M.“ und damit den Hinweis auf seinen Stifter Johann Zottmayer. Der hatte das Bild zum Dank für die Heilung von schwerer Krankheit an einer Linde angebracht, wo es zu einem beliebten Pilgerziel wurde. In der Folgezeit wird von weiteren Gebetserhörungen und Heilungen berichtet; der Zulauf der Pilger wurde immer größer und so wurde es 1717 nötig, für das Bild einen größeren und würdigen Raum zu schaffen: zunächst in der Tirschenreuther St. Johannis-Kapelle, dann in der Pfarrkirche, an die bald darauf die Gnadenkapelle angebaut werden sollte. Es wird von einer erneuten Zunahme der Pilger berichtet, bis die Wallfahrt anlässlich der Säkularisation 1803 verboten worden ist.
Stadtpfarrer Georg Maria Witt war der Überzeugung, es habe „keinen Sinn, über den Glaubensabfall zu klagen und Verteidigungsgefechte zu führen. Es gilt vielmehr anzugreifen und nach Innen weiterzugehen“. Daraus erwuchs das Leitwort, das die Pastoral für die folgenden Jahre prägen sollte: „Offensive nach Innen“. Inspiriert wurde Pfarrer Witt von der Spiritualität Don Gobbis und des heiligen Ludwig Maria Grignion von Montfort, deren Schriften er gemeinsam mit dem damaligen Kaplan Georg Flierl, der heute als Stadtpfarrer in Tirschenreuth wirkt, studierte und die seine Liebe zu Maria sukzessive weiter stärkten. Mit der „Offensive nach Innen“ folgte Pfarrer Witt auch dem Ruf Papst Johannes Pauls II., aus dessen Nachsynodalem Apostolischen Schreiben Christifideles Laici, das Evangelium, besonders in der Zeit des voranschreitenden Säkularismus und Atheismus, neu zu verkünden. Es war der Beginn zweier Initiativen in Tirschenreuth: die Ewige Anbetung in der Gnadenkapelle und die erneuerte „Wallfahrt für die Kirche“.
Der heutige Stadtpfarrer Georg Flierl kann sich noch gut an die Anfänge erinnern. Das Konzept der Immerwährenden Anbetung kam durch den amerikanischen Pater Martin Lucia nach Tirschenreuth, der, inspiriert durch die Gedanken Johannes Pauls II., durch ganz Europa reiste, auch im Bistum Regensburg Halt machte und einen zukunftsweisenden Impuls mitbrachte. Freilich blieben zunächst kritische Stimmen nicht aus. Lassen sich die Gläubigen für die Ewige Anbetung begeistern? Wer soll die Nachtstunden übernehmen? Was ist, wenn jemand ausfällt? Doch es funktioniert. Seitdem – es war im Jahr 1987 – verweilen die Tirschenreuther zu jeder Tages- und Nachtzeit in der Gnadenkapelle vor dem ausgesetzten Allerheiligsten und dem Bild der Schmerzhaften Muttergottes. Und das 365 Tage im Jahr.
Zu Witts „Offensive nach Innen“ gehörte es auch, im selben Jahr die „Wallfahrt für die Kirche“ einzuführen, durch die die ursprüngliche Wallfahrt zum Tirschenreuther Gnadenbild neu belebt werden sollte. An einem 13. Mai, dem Tag, an dem im portugiesischen Fatima die Gottesmutter drei Hirtenkindern erschienen war, fand die Wallfahrt zum ersten Mal statt. Sie ist seitdem als „Fatima-Gebetstag“ bekannt. Bald darauf war der damalige Bischof von Leiria-Fatima, Alberto Cosme do Amaral, zusammen mit dem Vizepostulator im Selig- und Heiligsprechungsprozess der Fatima-Seherkinder Francisco und Jacinta, Pater Luis Kondor, zu Gast in Tirschenreuth, wo er eine Fatima-Statue krönte. In seiner Predigt bezeichnete der Bischof Tirschenreuth als einen „Ausstrahlungsort, an dem Maria ihren Segen austeilt auf euch und eure ganze Umgebung“. Er schlug die Brücke zum Tirschenreuther Gnadenbild der Schmerzhaften Muttergottes, indem er die Fatima-Muttergottes als eine „Mutter der Schmerzen“ betitelte, die den Seherkindern ihr von Dornen umgebenes Herz offenbart hat. Wenig später reiste Pfarrer Witt selbst in das portugiesische Heiligtum und brachte eine weitere Fatima-Madonna mit nach Tirschenreuth. Sie hat ihren Platz in der Stadtpfarrkirche gefunden und wird bei den feierlichen Wallfahrtsprozessionen mitgeführt – genauso wie eine Kopie des Gnadenbildes der Schmerzhaften Muttergottes.
Tradition und Erneuerung
fließen ineinander, wenn in Kontinuität wie auch in einer gewissen Zeitlosigkeit die Jungfrau Maria verehrt wird. Die Orientierung an Fatima als prophetisch geltende, vor allem Europa betreffende Botschaft der Gottesmutter ermöglicht eine überregionale, weltweite Gemeinschaft von Betern, die Maria als Fürsprecherin und Patronin anrufen. Sie alle verehren zu jeder Zeit die eine Mutter Gottes, die sich mit ihrer Botschaft wiederholt an die Menschen der Geschichte wendet. Um es mit den Worten des ersten deutschen Priesters in Fatima, Ludwig Fischer, zu sagen: „Wer Maria aufrichtig liebt, freut sich von Herzen, so oft er von neuen Beweisen ihrer Güte zu den Menschen hört.“
Bilder: J. Wächter