Rosenkranzprojekt

Das Herz Gottes aufschließen – Rosenkranzprojekt mit Grundschülern

Grundlegendes

Obwohl manche Kinder bereits vor Schuleintritt miteinander befreundet sind, erleben sie die neu konstruierte Klassengemeinschaft zunächst als eine abstrakte Form einer Zweck- und Schicksalsgemeinschaft: In einen Raum hinein fremdverortet zu werden ohne den besten Freund an der Seite. Dadurch treten mehr oder weniger stark ausgeprägte Verlustängste auf, die durch die ersten Schritte des (gemeinsamen) Betens an den Dreifaltigen Gott aufgefangen werden können. Es entsteht eine tiefere Dimension eines Sich-von-Gott-beschützt-Wissens, in der alle Kinder, trotz ihres individuell unterschiedlich entfalteten religiösen Vorwissens, ihren Platz bewertungslos finden und einnehmen.

Ist in den ersten beiden Jahrgangsstufen ein naiv-narrativer Ansatz des Betens zu empfehlen, gilt es diesen in den höheren Jahrgangsstufen in ein kindgerechtes weiterzuentwickeln. Wesentlich für dieses prozesshafte Geschehen ist die zunehmende Partizipation an der Gebetswirklichkeit der Erwachsenen, das durch ein pädagogisch-didaktisches Erschließen wesentlicher Grundgebete und –texte wie das Glaubensbekenntnis, das Vater-unser, das Gegrüßet-seist-du und den Angelus geschieht. Diese Gebetsbausteine werden nun auf eine neue, kreative Art miteinander zu größeren Konglomeraten (Rosenkranz) komponiert.

Die vierte Klasse

Die 23 Kinder sind allesamt römisch-katholisch und kennen sich seit der ersten Jahrgangsstufe. Katholisches Vorwissen oder wenigstens eine religiöse Prägung seitens des Elternhauses und/oder der Großeltern ist sowohl qualitativ als auch quantitativ gering. Zwei von 23 Kindern geben an, durch die Familie religiös geprägt zu sein, ein Kind pflegt zusammen mit seinen Eltern eine traditionelle häusliche Gebetskultur – übrigens das einzige Kind, das am Sonntagsgebot mehr oder weniger festhält. Aus dieser Klasse begeistern sich fünf Kinder für den Ministrantendienst. Da für die Erstkommunionvorbereitung sowohl in der Pfarrei als auch in der Schule das Gotteslob zwingend erforderlich ist und so als ein typisches Geschenk für den Tag der Erstkommunion entfällt, suchen viele Eltern nach einer religiösen Alternative. Neben den in Bezug auf ihren theologisch-systematischen Gehalt bedenklichen Buchgeschenken ist dies immer wieder die Rosenkranzschnur. Die Gründe sind evident: Er lässt sich umhängen, ist optisch repräsentativ (Schmuckkette) und es gibt ihn in verschiedenen qualitativen Ausführungsvarianten. Seine Gebrauchsweise allerdings ist bei Eltern und Großeltern rudimentär bekannt. Dennoch besitzt 60 Prozent der Schüler seit der dritten Klasse einen Rosenkranz. Damit öffnet sich ein Fenster für missionarisches Handeln.

Das Rosenkranzprojekt

Zunächst ist es angeraten, auf der Sachebene Informationen über Geschichte und Aufbau des Rosenkranzes den Schülern an die Hand zu geben. Dies geschieht auf didaktisch gewohnte Art und Weise durch Bild, Arbeitsblatt, Demonstration und benoteter Probe. Im Rahmen des täglichen Schulgebetes wird das bisher Erlernte stufenweise verortet. Mit Beginn des neuen Schuljahres kann unmittelbar ein „einfacher“ Rosenkranz gebetet werden, der neben dem Vater-unser die drei göttlichen Geheimnisse einschließt.

Da nicht alle einen eigenen Rosenkranz besitzen, bekommen die Kinder einen (einfachen) Rosenkranz geschenkt, der seinen Platz im Federmäppchen oder in der Schultasche hat, der steter Begleiter durch den Schulalltag ist und der sich zu einem Freund auf dem weiteren schulischen Werdegang entwickeln soll. Die Schüler tragen diesen wie eine Kette (Trophäe) um den Hals, gerne auch außerhalb des Klassenzimmers. Stolz darauf, ihren Freunden vom Gebrauch dieser Gebetsschnur zu erzählen. Durch diese positive Motivation wollen die Kinder mehr über den Rosenkranz und seinen Gebrauch erfahren – besonders wie die einzelnen Perlen durch die Finger gleiten fasziniert die Schüler. Selbstverständlich ist er regelmäßig Bestandteil des Schulgebetes.

Die Schüler bringen ihren bei der Erstkommunion geschenkten Rosenkranz in die Schule mit, der im Rahmen eines Wortgottesdienstes im Klassenzimmer gesegnet wird. Dieses wird für die Liturgie vorbereitet (Tisch mit einer besonderen Decke, Kreuz, Schriftlesung, liturgische Kleidung etc.). Dieser Gottesdienst ist für die Kinder außerordentlich wichtig, da nun aus einem reinen Schmuck/Geschenkgegenstand durch das Gebet des Diakons, dem Schlagen des Segnungskreuzes über den Rosenkränzen und den Kindern und dem Besprengen eines jeden einzelnen Rosenkranzes mit Weihwasser (das Wasser wird im gleichen Gottesdienst gesegnet) eine Art heiliger Gegenstand wird. Manche Kinder sprechen von der „Taufe des Rosenkranzes“. Es hat sich bewährt, einen solchen Gottesdienst zweimal im Schuljahr anzubieten, da viele Kinder motiviert durch das Rosenkranzprojekt im laufenden Schuljahr weitere Rosenkränze kaufen bzw. geschenkt bekommen. Den Klassenrekord hält momentan eine Schülerin mit neun verschiedenen Rosenkränzen.

Zentral stehen die Geheimnisse des Glorreichen Rosenkranzes. An diesen lässt sich den Schülern besonders deutlich die (innere) biographisch-jesuanische Dimension des Rosenkranzes aufzeigen, da den Kindern die Biographie des Herrn Jesus durch die Katechesen der Erstkommunionvorbereitung und durch den Religionsunterricht der dritten Jahrgangsstufe bekannt ist/sein dürfte. Die Schüler erarbeiten in der Gruppe die Transformation der einzelnen Geheimnisse in geeignete Piktogramme, die später als Gedächtnisstütze beim Rosenkranzgebet dienen; z. B. Maria – in den Himmel aufgenommen, Maria – gekrönt:

Davon ausgehend liegt es nahe, zusammen mit der Klasse einen eigenen „Klassenrosenkranz“ zu formulieren. Dazu wird zunächst in Gruppenarbeit eine Liste mit geeigneten Attributen erstellt, über deren theologisch-philosophische Eignung im Anschluss diskutiert wird. Eine demokratische Abstimmung führt zu einer „Top-Five“-Liste, deren sinnvolle Anordnung den Klassenrosenkranz ergibt (aktuelles Beispiel: J., der Sohn Gottes; J., der für uns da ist; J., der uns beschützt; J., der uns Kraft gibt; J., der Wunder vollbracht hat).

Ziel ist das gemeinsame Rosenkranzgebet in der Pfarrkirche. Dort wird nun im Rahmen der Religionsstunde der Glorreiche Rosenkranz auswendig gebetet. Einzige Orientierungshilfe sind die aufgezeigten Piktogramme, die eigene Rosenkranzschnur und der (selbstverständlich) mit- und vorbetende Religionslehrer.

Befragt nach ihren Eindrücken (nach 35 Minuten Gebet) äußern manche Schüler sich kritisch über den Rosenkranz: Er sei „monoton herunter geleiert, einschläfernd und so langweilig.“ Andere Kinder dagegen suchen eine spirituelle Verortung für das (scheinbar) Einschläfernde des Rosenkranzes, denn „…da schlafe ich am Herzen Gottes.“ Ein anderer Schüler: „Der Rosenkranz ist der Schlüssel, der das Herz von Gott für mich aufschließt und deswegen Gott meine Gedanken selbst hört.“ Eine Schülerin versucht sich mittlerweile selbständig zu Hause am Rosenkranz.

Das Schulgebet muss nicht das Unterrichtsgeschehen eröffnen, es kann auch im Zenit der Religionsstunde stehen. So kann ein Schüler die Stundenmitte anzeigen und so den Startimpuls geben, alle Kinder stehen auf, nehmen ihren Rosenkranz zur Hand und beginnen zu beten. Zum Unterrichtsbeginn muss allerdings vereinbart werden, wer den Impuls für das Gebet gibt und welche Geheimnisse gebetet werden. Die Kinder dürfen bewusst den Unterrichtsprozess unterbrechen (Gebet ist Sprechen mit Gott, unterbricht jederzeit den (Schul-)Alltag). Falls im Klassenzimmer kein Kreuz vorhanden ist, malt ein weiteres Kind das Symbol eines Dreiecks an die Tafel.

Der Blick in die Zukunft: Die VGE-Regel

Das Rosenkranzprojekt ist eine Fortsetzung der Gebetsschule und –praxis der 3. Jahrgangsstufe. In wie weit die Kinder am Rosenkranzgebet im Laufe ihres weiteren Lebens festhalten werden, kann nur vermutet werden. Entscheidend ist, den Kindern beim Übertritt in die weiterführenden Schulen die Kenntnis der „VGE-Regel“ vermittelt zu haben. Diese Regel ist das Grundmuster dieser Gebetsschule und besteht aus dem Vater-unser, dem Gegrüßet-seist-du und dem Ehre-sei-dem-Vater (Archetypus Rosenkranz). Immer dann, wenn die Kinder und später als Jugendliche und Erwachsene das Gespräch mit Gott suchen, dann mögen sie sich an die VGE-Regel erinnern. Das Ziel des Rosenkranzprojektes der vierten Jahrgangsstufe wäre dann erreicht.

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